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Glauben und Wissen. Jürgen Habermas „Auch eine Geschichte der Philosophie“
October 31, 2021
Beschreibung
Zum Tagungsthema
Jürgen Habermas hat im Herbst 2019 sein kolossales Alterswerk publiziert, eine Relecture der Geschichte der Philosophie vom Gesichtspunkt des Verhältnisses von Glauben und Wissen.
Das frühe Christentum steht vor der Frage, ob die griechische Hochkultur – im Kern die Philosophie – verworfen oder integriert werden soll. Die Stimmen, die für eine Integration plädieren, setzen sich durch. In Augustinus kommt die christlich-griechische Synthese zu einem ersten Höhepunkt. Thomas von Aquin erneuert die kanonische Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen, nachdem die Aristotelesrezeption einen veränderten Begriff von Theorie und damit von Wissen notwendig macht.
Diese grandiose philosophische Leistung bleibt jedoch nicht lange unbestritten: Duns Scotus und vor allem Wilhelm von Ockham melden Zweifel an und schlagen Alternativen vor. Aber erst mit Martin Luther kommt das „Zeitalter der Weltbilder“ (J.H.) zu einem Ende. Nach Habermas erkennt Luther, dass Glaube wesentlich Vollzug bedeutet. Der Versuch, Glaube in ein System von propositionalen Sätzen zu fassen, führt in die Irre. Das Ende der philosophischen Konstruktionen, die Glauben und Wissen umfassen, macht den Weg frei einerseits für die moderne Naturwissenschaft, andererseits für das „Paradigma der Bewusstseinsphilosophie“ (J.H.): Nicht mehr das Sein, bzw. die Substanz fungiert als der zentrale Begriff, sondern vielmehr das Subjekt. Für Habermas ist Martin Luther denn auch Wegbereiter für Kant wie überhaupt für die neuzeitliche Philosophie.
Diese Tagung fokussiert auf ein zentrales Thema des Buches, auf die Epochenschwelle Spätmittelalter/Neuzeit. Nach Habermas endet hier das philosophisch beeindruckende, aber objektivierende metaphysische Denken. Glauben und Wissen werden nicht mehr zusammen gedacht, nach Luther können sie es auch nicht mehr. Dass in der habermasianischen Summa Martin Luther und nicht René Descartes (oder Thomas Hobbes) die zentrale Figur des philosophischen Neuanfangs darstellt, ist originell aber auch erklärungsbedürftig und hängt mit der Präferenz des Autors für Performativität zusammen. Von einem theologischen Standpunkt stellt sich u.a. die Frage, was denn für die Theologie zu tun übrig bleibt, wenn das theologische Denken von der Philosophie beerbt worden ist.
Referenten
Prof. Dr. Ingolf U. Dalferth ist Danforth Professor of Philosophy of Religion Emeritus an der Claremont Graduate University sowie Professor em. an der theologischen Fakultät der Universität Zürich. Von 1998 bis 2012 war er Direktor des Instituts für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich. Er war u.a. Hulsean Lecturer der University of Cambridge, Samuel Ferguson Lecturer der Manchester University, Bapsybanoo Marchioness of Winchester Lecturer an der Universität Oxford, Fellow am Collegium Helveticum in Zürich und am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Die Universität Kopenhagen und die Universität Uppsala verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Zu den von ihm herausgegebenen Zeitschriften und Buchreihen gehören die Theologische Literaturzeitung, die Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, Philosophy of Religion and Theology und Claremont Studies in Religion.
Prof. Dr. Gregor M. Hoff Univ.-Prof. Dr. theol. Gregor Maria Hoff, Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie in Salzburg, stellvertretender Direktor des Instituts für interdisziplinäre Forschung der Görres-Gesellschaft sowie Direktor des Kardinal König-Instituts der Europäischen Akademie der Wissenschaften (Salzburg). Seit November 2015 freier Autor bei der ZEIT.
Veröffentlichungen (Auswahl): Ein anderer Atheismus. Spiritualität ohne Gott? Pustet 2015; Religionsgespenster. Versuch über den religiösen Schock, Schöningh 2017; Gegen den Uhrzeigersinn. Ekklesiologie kirchlicher Gegenwarten, Schöningh 2018.
Hier finden Sie den Flyer und das Programm der Veranstaltung.
Anmeldungen werden erbeten unter: hermes@theol.uzh.ch